Das Sahnehäubchen auf der Pflege
Mit ehrenamtlichen Besuchsdiensten will die Deister-Süntel Klinik die Genesungsbedingungen im Haus boostern
Von Katharina Weißling
Bad Münder. Arbeitsbiographien in Pflegeberufen verlaufen nicht selten so: Ambitionierter Start mit einer großen Portion Nächstenliebe. Auf eine steile Lernkurve zu Beginn folgen Berufsjahre mit Lebenserfahrung, die ihresgleichen sucht. Am Ende überwiegt in zu vielen Fällen der Frust. Nicht wenige Berufstätige verlassen die Pflege. Denn das, wofür die Frauen und Männer einst angetreten waren, findet kaum mehr Platz in der Fülle zu erledigender Aufgaben. ‚Keine Zeit, keine Zeit ist` ist hier nicht Rentnergruß, sondern harte Arbeitsrealität. Umso mehr verblüfft der Satz: „Wir sind das Sahnehäubchen auf der Pflege“.
Es ist der informelle Leitspruch der so genannten Grünen Damen Susanne Zschätsch und Beate Exner aus Soltau. Vor einigen Wochen waren die beiden Landesbeauftragten der Evangelischen Kranken- und Altenhilfe e.V. zu Besuch in Bad Münder. Vor Ort warben sie für eine Tätigkeit, die niemand mit Geld bezahlt. Die ehrenamtliche Aufgabe der Grünen Damen und Herren in ganz Deutschland ist es, sich um das zu kümmern, was nicht budgetiert ist und doch schmerzlich vermisst wird im Gesundheitssektor. Sie schenken Aufmerksamkeit und persönliche Zeit. Zuverlässig, regelmäßig und nach festgelegten Regeln. Anders als Besucher haben sie selbst jetzt vielfach noch Zutritt zu Kliniken und Pflegeeinrichtungen, die sich pandemiebedingt aktuell stark abschotten, um Patienten, Mitarbeiter und letztlich auch wirtschaftliche Interessen zu schützen.
Hans-Christian Delfs, der Geschäftsführer der Deister-Süntel-Klinik hegt große Sympathie für die Mitglieder des ehrenamtlichen Besuchsdienstes. Gerne sähe er Grüne Damen und Herren auch am Deisterhang, wo es bisher keine eigene Gruppe gibt. Ein Umstand, den er ändern möchte: „Wir brauchen Unterstützung von außen und Hinweise, wo wir besser werden können“, eröffnete er Zschätsch, Exner und zwei Münderanerinnen, die mit dem Gedanken spielen, sich dem Verband anzuschließen.
„‚Guten Tag, mein Name ist Susanne Zschätsch, ich bin eine grüne Dame, und möchte fragen, ob ich Ihnen was Gutes tun kann‘ – so stelle ich mich vor“, erzählt Susanne Zschätsch. „Dann höre ich sehr genau zu.“ Zur Sprache käme alles mögliche, Zukunfsängste, Familienzwist aber auch sehr menschliche Wünsche. Was die Ehrenamtlichen erwarte, wenn sie ihren Dienst antreten, sei jeden Tag verschieden. „Wir wissen nie, was uns hinter der Tür erwartet, an die wir anklopfen“, betont auch Beate Exner.
Zum Schmunzeln brächten die besuchten Patienten sie häufig. Manchmal mit so profanen Anfragen wie ‚Einfach eine Geflügelfleischwurst bitte’, zum Beispiel. „Solche Gelüste sind gar nicht selten“, erzählen die beiden Frauen gut gelaunt. Gleichwohl wissen die erfahrenen Verbandsmitglieder um die Tücken solcher Anfragen . „Allein schon, um uns abzusichern, stimmen wir vieles mit dem Pflegepersonal ab. Was gegen strikte Diäten verstößt und Heilung eher sabotiert als befördert, ist tabu.
„Viele Menschen sind schon sehr dankbar dafür, einfach ihr Herz ausschütten zu dürfen“, berichten sie. „Insofern bekommen wir viel zurück“, betont Susanne Zschätsch. Manchmal sei es ein Blick, den sie mit nach Hause nähme, als Erinnerung an eine wertvolle Begegnung.
Andere Inhalte, die ihr anvertraut werden, könnten durchaus mal aufs eigene Gemüt drücken. Umso wichtiger sei dann der Austausch mit anderen Damen und Herren. Aber auch die Freiheiten des Ehrenamts trügen zum Wert dieser Arbeit bei. Zum Beispiel, einfach nach Hause gehen zu dürfen, wenn es sich passend anfühlt. Oder die eigenen Befindlichkeiten im Wege stehen. Für Urlaub vom Ehrenamt braucht es keinen Krankenschein. Nur professionelle, verlässliche Kommunikation.
Etwa vier Stunden pro Woche bringen die Ehrenamtlichen mit. Wer möchte auch mehr. Der Charme von so unterschiedlichen Menschen wie Beate Exner, Susanne Zschätsch und Gleichgesinnten öffnet Herzen. Sie sind nah dran an den Patienten und wohl auch sich selbst. Nicht selten ist das Strahlen der eigenen Persönlichkeit ein Funke, der überspringt.
Literaturbegeisterte bringen bevorzugt Bücher ans Krankenbett. Freunde frischer Luft drehen mit geneigten Patienten eine Runde ums Haus. Zu Fuß oder mithilfe von Rollator, Rollstuhl und Co. Wer anderen sinnlichen Genüssen zugeneigt ist, versteht sich vielleicht darauf, zu besorgen, was der Heißhunger diktiert, während der Appetit auf die Krankenhauskost bereits gen Null tendiert.
Menschen mit schwachem Appetit füttern; mal eben ein übrig gebliebenes Tablett wegräumen oder gar mit Putzzeug anzutreten. Solche vermeintlichen Kleinigkeiten unterlassen grüne Damen und Herren strikt, betont Beate Exner, Mitglied des Bundesvorstands des ehrenamtlichen Besuchsdienstes. „Wir ergänzen die Pflege, wir ersetzen die Arbeit der ausgebildeten Kräfte nicht“, stellt sie klar. „Und wir sind auch nicht dafür da, den Menschen, die in diesen Berufen arbeiten, auf die Finger zu schauen.“ Dicke Luft zwischen denen, die vor lauter Pflichten die Kür nicht mehr schaffen und solchen, die frei von Verpflichtungen ausschließlich fürs Zwischenmenschliche zuständig sind, nütze niemandem.
„Wir glauben fest daran, dass eine Gruppe von Grünen Damen und Herren hier eine Win-Win Situation für alle schaffen würde“, sagt Klinikchef Hans-Christian Delfs. „Zu unserem kleinen Haus am Deisterhang würden sie jedenfalls gut passen und noch bessere Genesungsbedingungen schaffen“, ist er überzeugt. Interessierte sind eingeladen, sich bei Sandra Marschke, der Qualitätsmanagerin der Deister-Süntel-Klinik zu melden, telefonisch unter 05042-602-1274 oder per Mail an qm@dsk-bm.de. Die Klinik will erneut Grüne Damen zum öffentlichen Vortrag einladen und bietet volle Unterstützung an.
Träger der Grünen Damen und Herren, die es in Deutschland seit mehr als 50 Jahren gibt, ist die Evangelische Kranken- und Alten-Hilfe e.V.. (eKH). Zum bundesweiten Netzwerk gehören rund 8.000 Grüne Damen und Herren in über 530 Gruppen (wwwnekh-deutschland.de).